Anti oder die normale Hand
„Wenn nur alles aus Gold wäre,“ dachte Midas und blickte hasserfüllt auf seine Hand, mit der er immer nur ein Ding erfassen konnte.
Die wahre Immensität des Universums ist das, was hätte sein können, das, was ich hätte tun können. Ein Universum liegt im Indikativ, eine Unermesslichkeit im Konjunktiv II.
Jede getroffene Entscheidung bedeutet einen Genozid an Möglichkeiten. Jeder Gedanke verhindert andere, und vor allem jede Tat tötet eine Unzahl anderer Taten. Ein Sandkorn am Strand der Möglichkeiten ist ein Augenblick. Was ihn so sehr über die Möglichkeiten erhebt, ist, dass er ist. Es fragt sich nur, ob ihn das tatsächlich wertvoller macht als eine pure Aussicht.
Das Massensterben der Möglichkeiten durch die Folge der Augenblicke, die getroffenen Entscheidungen, ist das wirkliche Jenseits – die Gesamtheit des Verpassten.
Die Grausamkeit im Vergleich zu dem des Christentums liegt darin, dass es zwar genauso unerreichbar ist, dass wir es aber in jeder Sekunde unseres Lebens greifbar vor Händen haben – und dass das Greifen danach es eben unerreichbar macht. Tantalos’ Qualen, jeden Moment, und unsere einzige vorweisbare Sünde ist die conditio humana.
So häuft man in jedem Augenblick einen Trümmerhaufen an nicht realisierten Möglichkeiten an, mit denen man der eigenen Vergangenheit zu jeder Zeit immer mehr zu Bedauern gibt. Das ist der Trümmerhaufen des Angelus Novus.
Diabolus antiquitatis
Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Mein Teufel muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Er möchte wohl verweilen und die Toten wecken. Aber ein Sturm weht vom Augenblick, der Gegenwart her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht schließen kan. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während das Gewesene vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir das Sein nennen, ist dieser Sturm.
Die junge, schöne Mörderin
Die Hände der jungen, schönen Mörderin spielten aufgeregt, fahrig lachend, mit der Waffe
Eine Pantherin, glücklich und hysterisch im Gedränge
Mit Vogelbewegungen und Vogelaugen
Verspielt freudig, ängstlich, nach Beifall suchend, von der Menge
Blitzlichtsalven, Grelle, kriegerischer Tumult ringsumher
Kreischende Freude, Adrenalin und aufgeregter Schweiß
Tosender, lebendiger, geiler Lärm.
Die junge, schöne Mörderin, fahrig lachend, mit dem Messer wedelnd,
Sie wird umblitzt, sie wird beschwadet, zerschweißt, zerdrückt vor Geilheit
Die rasenden Frazen der Blitzlichter
“Spiel mit dem Messer, Susie”
“Spiel mit dem Messer, Susie”
“Zeig uns dein Messer, Susie”
Sie spielt mit dem Messer, lachend, erfreut, nervös, sie haut und schlitzt und die Blitzlichter johlen
Alles wird dichter, enger, lauter, schneller,
Die junge, schöne Mörderin johlt
Ihre Freude ist Panik, sie ist Panik
Sie schlägt, sie schneidet wilder, voller Eifer
Schneller wird alles
Schlitzend weiß sie, keiner glaubt ihr wirklich,
Sie ist eine Attraktion, eine Fremde, etwas anderes
Alles taumelt von ihr weg, die madig lachenden Augen weit aufgerissen, um alles zu sehen
Alles von ihr zu sehen, sie aufzusaugen,
Sie weg zu blitzen, zu zerschreiben
Ihr junges, schönes Messer schlitzt das erste Gesicht
Reißt Blut aus Nase, geilen Wangen
Und das Weiße aus den Augen
Trifft Knochen, schlitzt die Brust hinunter
Mitten in die satte, dicke Geilheit hinein
Der Lärm wird voller, Susie ist das Messer
Sie schlitzt sich durch die Menge, zerschneidet Finger, Bäuche, Hände
Es fängt an, zu stinken, das viele Blut, die Pisse, die Dickdärme, die Scheiße und Blut quellen
Sie sticht auf ein Steißbein, hackt ein Ohr ab, sägt einen Mund entzwei, verbeißt sich in eine Zahnreihe,
Immer weiter durch die rauchschwadige Menge, durch Fleisch, durch Leben, durch wilde Angst.
Es stinkt so, wie Susi ist
Eine Pantherin, glücklich und hysterisch im Gedränge
Mit Vogelbewegungen und Vogelaugen
Verspielt freudig, ängstlich, nach Beifall suchend, von der Menge
Alles ist blank, entsetzt,
Kein Blitzlicht klickt mehr, keine Stimme ruft mehr
“Spiel mit dem Messer, Susie”
“Zeig uns dein Messer, Susie”
Keine roten Wangen weiden sich mehr an der jungen, schönen Mörderin.
Alle sind jetzt, was Susie ist.
Salomes Tanz der sieben Schleier
Erster Schleier
Ich fange langsam und sehr mühsam an zu tanzen
Denn mein erster Schleier ist aus Blei und drückt
Mir auf die Schultern und er ist so reich bestückt
Mit Sternen Sonnen und dem All dem ganzen
Wahnsinnigen Gesetz Gottes, das mich wanken
Macht und mir den Atem raubt dass ich mich kaum
Bewegen kann – und klein und eng ist mir der Raum
Der Ewigkeit des Schleiers Meine Beine schwanken.
Mit einer Urgewalt an Kraft werf ich ihn endlich
Weg, er platzt in Eisentränen hin, ich bin
So viel freier schon Mein junges schönes Kinn
Streck ich stolz nach oben und mein Körper fängt sich.
Zweiter Schleier
Ich blicke auf und seh die Augen von Herodes
Gierig auf mir zittern und ganz sanft erfasst
Meine kleine weiche Hand den zweiten Schleier, fast
Gefällt mir seine Gier und ich tanze mich froh des
Zaubers den sie mir verleiht aus meinem zweiten
Schleier kindlich hochmütig erlachend der
Aus Wasser und aus Erde mir gewebt mir schwer
Um meine runde Hüfte liegt und die Gezeiten
Stürzen durcheinander überschwemmen alle
Länder die er streift – und stechend und verrückt
Wird des Herodes‘ vergewaltigender Blick
Wärs doch mein Johannes dem ich so gefalle…
Dritter Schleier
Mein dritter Schleier ist ein Vogel dessen Federn
Alle Menschen sind die mich umarmen und
Liebkosen und beweinen und mein süßer Mund
Gibt ihnen allen einen Kuss, den Müttern Vätern
Kindern und den Alten und dann packen meine
Weichen Hände alle Menschen fest am Hals
Und werfen sie dem König vor die Füße als
Hätt er sie verdient, als wären sie die seinen.
Und mein Lachen perlt in Herods weite Kehle
Und ich muss weinen als der Schleier purpurrot
Den Boden trifft, denn alle Menschen sind jetzt tot
Und ich wundere mich nur, dass ich noch fehle.
Vierter Schleier
Beweglich werden meine Schultern und ich spiele
Mit meinem vierten Schleier über meine Haut
Plötzlich will ich tanzen bis der Morgen graut
Ob ich meinem Johannes denn jetzt wohl gefiele?
Mein Körper ist so jung und schön und voller Drängen
Wie ein Hauch gleitet mein Schleier über ihn
Über meinen Bauch und meine Hüfte ziehn
Seine Bahnen, fallen leis mit den Gesängen
Die mir meine Sinne rauben mich umschmeicheln
Ich bin in mich selbst verliebt und tanze mit
Mir selbst, habe mich fest umschlungen Jeder Schritt
Lässt mich erbeben Ich beginne mich zu streicheln
Fünfter Schleier
Ich fühl das Chaos in mir und muss ganz laut lachen
Mein fünfter Schleier ist mein Anstand Ich zerfetz
Ihn lachend in eintausend Stücke Ganz entsetzt
Starrt mich meine Mutter an Herodes Rachen
Ist aufgerissen und er schluckt laut als ich meine
Beine vor ihm auseinander spreize, das
Geheimnis meines Körpers vor ihm fällt und Nass
Und Blühend meine Jugend vor ihm prangt und keine
Scham hält mich zurück Ich führe meinen Finger
Lüstern zwischen meine Schenkel, zittre, schrei
So laut ich kann Ich schreie Herodes entzwei
Ich kann alles, herrsche, bin der Weltbezwinger
Sechster Schleier
Ich beruhige mich ein wenig und gedanken-
Voll vergraben meine Nägel sich in Schmerz
Mein sechster Schleier ist mein Fleisch mein Blut mein Herz
Und er weint rote Tränen als ich spitz die Ranken
Meines Körpers mir von meiner Seele ziehe
Was bin ich noch Ein Weinen und ein Lachen Ein
Geist ein Schatten – und ein Wille, völlig rein
Nichts bin ich mehr ich bin nur ich und Tanz und Liebe
Ich fühle mich sehr hell und ruhig und endlich menschlich
Kaum berühre ich den Boden und mein Blick
Sieht endlich klar und kehrt in mich zurück
Ich bin Salome und enthülle mich jetzt gänzlich.
Siebter Schleier
Mein Siebter Schleier das bin Ich Bewegung Sinne
Und sonst nichts denn ich bin nur noch blasses Licht
Ich schwanke, lös mich auf, verschwinde – nein noch nicht
Ich sehe noch Johannes, höre seine Stimme
Für Dich für Dich hab ich getanzt nicht für Herodes
Und jetzt wird alles dunkel und alles wird leer
Ich bin müde die Gedanken werden schwer
Da ist nur noch Schwärze Schlaf ich bin des Todes
Was wollt ich noch? Ich sollte neue Kräfte schöpfen
Doch meine Kerze brennt mit einem kurzen Docht
Ich weiß nicht mehr, was ich noch wollte – – DOCH!
Ich will sehn wie sie den Dreckspropheten köpfen!
Post navigation
Dendera
Die Totheit einstigen Lebens
Der Schatten seiner Größe
Blut, das zitterte und heillose Liebe
Und das große Verderben, das den Schwärmen erblühte
Jubel den Götzen und der Königin der drei Schlangen
Das Verhängnis der Caesaren
Die unglaubliche Schönheit, die den Triumph über die Menschen zum Glänzen brachte
Ohne Skrupel
Keine Gnade
Kein Mitleid
Kein Erbarmen
Der harte Klang des goldenen Prunks
Ihm baute man und Ihr den Tempel
Ich weine Tränen über dieses Leben
Die Göttin des selbstbewussten Schmerzes
Tod war die Liebe, und Leiden das Leben in Schönheit
Wie eine schwere goldene Glocke mit tiefem, uralten Klang
Dendera
Seit Jahrtausenden klingt er nach
Und bringt mich zum Bluten
Frisst mein Heil
Ist mein Heil
Dendera
Sonnenkultur im Zeichen des Blumentodes
Golden und heiß
Lieblich in der Kraft, und heiter in der unendlichen Schwere
Dendera
Das Gift der Schlange ist der Wein der Götter
Die zarte Hand, die das Schicksal zwingt
Götter aus dem Nichts heranwinkt
Und Ruhm ohne Grenzen
Und Macht im Blut
Dendera
Seth
I Seths Geburt
Seth wütet, Seth nagt und bohrt
Seth gräbt und reißt, die mörderische Flamme Seth
Seth ist sich selbst der Beginn
Schält sich aus dem Bauch des Himmels der Same der Erde
Kratzt sich aus dem Schlund der Lüfte, Orkangeburt
Ce que dit la bouche d’ombre
Urizens Flut des Chaos’ zieht sich auf die Welt
In Naqadas Schatten das typhonische Biest
Er ist die sandige Kraft der Wüste
Und die Wüste wächst und schreit und will
Er ist der rote Wüstensturm, der böse Tag
Seth, Sonnenwahrer, Tagbringer, schöner gefallener Stern
Seth der Fremde, der Liebende, Seth die Nacht und der Krieg
Das rote Auge aus der Dunkelheit
II Nephthys
Vermählt mit der Tochter von Nut und Geb, Schwester der Göttin des Südens
Azul de un día sin temor de noche
Sie legte dir das Band zu Apoll
Justine oh Justine, dein Weg war der Schmerz!
Nährende Mutter Gebärerin des Südens,
Risen with the Day-bark, with falcon wings, die Beschützerin
Die Amme des Feuerhauchs, der Herd von Horus, the lady of the temple
Du gehst unter mit ihr in die Dunkelheit, und kommst wieder mit ihr, mit der Sonne
Du kommst wieder mit ihrer Sonne
Du bist der Wächter der Sonne, gehe auf mit der Tages-Barke
Töte die Sünde! Töte die Gefahr!
In den Armen der Falkenfrau mit weißen Flügeln
Und Dämonen taumeln in Furcht vor deinem Willen, Seth, Lichtbringer
Vereint mit deiner Göttin, die dir Tag ist
Aber: Did he who made the Lamb make thee?
III Der Geist der Dunkelheit
Seth: They say you’re a doctor now. ha.ha.
Wenn die Sonne aus deinem hohlen Auge trinkt –
Prudence is an ugly maid…Seth!
Du bekämpfst den Vernichter der Sonne, aber
Du lechzt doch! Du willst doch!
Was ist dir Apophis? Du willst es doch auch!
Und tötest deinen Schatten
Dein Liebstes, das dir Nacht verheißt, und das Desaster, das du willst
Cut word lines — Cut music lines — Smash the control images — Smash the control machine — Burn the books — Kill the priests — Kill! Kill! Kill!
Aber du bist noch nicht reif dafür, Seth
Du musst erst durch die Nacht gehen
Wo du gehen wirst wird Herbst und Abend
Das Gute ist nur das Gute des Bösen, und du, bist du gut, Seth?
Die Jungfrau ist ein Stich in dein Reich
Sie verschlingt dein Glück
Alles, was Seth ist, ist zuwider
Dem Glück des demütigen Morgens
Seth ist zu viel, zu viel für die Tänzerin in Schatten, zu viel für die geschminkte Gefälligkeit
Les épées! Les épées! Du sang sur ces pavés!
Seth, du willst diese Willkür nicht! Du bist das Menschenherz! Du bist das Auge der Sonne!
Verbrenne!
Werde dein eigener Himmel, immenser als die Nacht, loca de horizonte
Thou from the first wast present, and with mighty wings outspread
Dove-like satst brooding on the vast Abyss and mad’st it pregnant
Bist du der Retter des Tages, oder machst du einen neuen Tag? Bist du Bringer oder Beginn?
IV Der Böse Tag
Seth bezwingt Chaos und Ordnung, Seth der Fremde, Seth der Ausgestoßene, Seth der Rote, der Liebende, Seth das Unheil, der Kämpfende
Du bist ein Hund, Seth, ein Schakal, du raubst deine Beute in der Nacht, du stiehlst die Welt, Seth, der Ordnung
Schwein, Seth, Hadad, du stiehlst um des Stehlens willen, Seth, die Erotik des Wählens
V Osiris
Und Seth, dir gegenüber
Dein Gegner, dein Feind
Das Verhängnis, das Gute des Guten, Sokrates, Liebelei und Gott
Verachtung, Seth, Schande und Schmach diesem Weg, diesem Heil, diesem Unheil
Kämpft um die Sonne, kämpft um das Recht des Stärkeren, und Seth, sieh ein
Die Christenheit obsiegt, die Demut, die Demokratie, du weißt auch nicht, warum, du verstehst nicht
Entmächtigt, Seth, dämmerst du, schimmerst du am Grunde, ein schwacher Widerschein, ein Flimmer, ein Moment nur, der nach außen will, der zwingt, der will, aber Seth, der nicht kann, er ist noch zu schwach, zu ungeboren, zu geschaffen, Seth, eine Fehlgeburt, ein Totgeborenes
Seth ist stark, er weiß, aber: stark genug? Günstig genug? Will ihn die Welt? Weiß die Welt, dass sie Seth will?
The sun that moves the mouth?
Aber Seth spuckt seine Sonne
Du wahrlich liebtest die Sonne
Seth
Und Seth brütet
Seth wütet, Seth will das Verderbnis
Tu aimes les viandes qui saignent et les vins qui charrient l‘ivresse
Seth will die Wunde sehen
“Oh, let’s go up the hill and scare ourselves”
Seth, was bist du? Wüste? Kind – du bist das Böse, Seth, das Fremde, du bist der Untergang des Wissens, Seth, der Bringer der Dunkelheit, du weißt nicht, was du bist, Seth, und es ist dir egal
Wüte, Seth, zerreiße, was dich hält, was ist das Gute, was ist Osiris
Die uralte Frage, sie zerfliegt in deinem Sturm, deiner Wüste, deinem Orkan
Et l’ouragan seul est vrai
Seth, zerreiße Osiris, zerstückle deine Ketten, Seth, die Freiheit, Seth, tue es für die Menschheit, tue es für dich
And look on death itself! – up, up and see
The great doom’s image!
Der Geschmack von Tränen!
Seth tut es für sich, für das Wohl seines roten Auges
Für wen auch sonst, Seth
Be cruel
Kill the world
Du König deiner Wut
VI Horus
Und Seth, die Welt will, dass du verlierst
Du bist nicht mehr das Geschick der Welt
Die Welt schert sich einen Dreck um dich
Du bist die Vergangenheit des heutigen Wunders, du bist das Übel, der Reißer, du hast dich in den falschen Feind verbissen
Du hast dich in den richtigen Feind verbissen
Aber Seth:
Nur der Durst ist frei!
The golds of war are buried deep!
Seth, der sich nicht um die Welt kümmert
Seth, der sich nur um sich kümmert, der sich will und nur sich
Auge um Hoden, was schert das Seth
Seth, die unbekämpfte, unbesiegte Kraft, Seth, das neue Morgenlicht, Seth, der Sternbringer, der neue, Seth, das Licht
Seth, der sagt, wann Dunkelheit ist
Seth, der Vater des Menschen, Seth, die Sünde
Seth das Blut
In the raped light that brings on the fascist birds
Was ist dir Gut und Böse
Was ist dir recht, wenn nicht du, Seth? Wenn nicht deine Größe, deine Stärke?
Und es kommt, das Schwache, das Gute, und will sein Auge zurück, will seinen Willen von dir kaufen, Seth, du Liebender, du Teufel, es will, was es hatte, und versteht nicht, was du verstehst, Seth
Dass du blühst, Seth, gerade in diesem Moment, dass deine Größe gekommen ist, dass die Wüste wächst und verschlingt
Die Wüste verschlingt Apoll, sie will das Ende, den Beginn in dir, Seth, dem Großen
VII Das Ende
Und Seth, das Chaos weiß, was es tut
Anat und Astarte der Abendstern, Königinnen des Himmels, sie waren dir verheißen
Sie wissen um dich
Sie lieben dich
Sie verstehen, dass du der Gott des Krieges bist
Und der Liebe
Sie töten deinen Verstand Seth
Sie heißen dich willkommen in ihrem Paradies
Geflügelt, den Speer in der Hand und die Hände der Opfer um die Hüfte
Seth, du hast gewartet, und du wirst empfangen
Sie laden dich ein in ihr Lager, goldene Pracht in Verwesung und Lust
Du weißt um deinen Kampf, und du weißt um deinen Sieg, Seth
Krieg der Liebe, du weißt
L’amour doit être réinventé, du musstest dir die Hure teuer erkaufen, du musstest ihr sagen, was sie ist
Seth, du Wahrer, du, der nie betrügt, Seth, töte die Krieger, die nicht verstehen
Du siehst, Seth, die Feier
She joyfully wades in their blood, die Liebe, die Schwester der Völker, du Seuchengott, du Verderber, du Zerstörer der siebenköpfigen Schlange, du, der das Heil des Bösen ist
Seth. Du bist der Urknall, der wahre Vater des Tages, eines Tages, den keiner kannte
Du schläfst mit der letzten Jungfrau, Seth
Seth, du bist der Ehebruch der neuen Ordnung, du bist die Ehe von Tod und Leben, du bist der Sohn des einzigen Heils, Geliebter der Götter
Dein Angesicht, an dem ein Engel lebte und ertrank
Schädel sind dein Schmuck, Seth, weil du dich liebst, weil du dich nicht
Nicht verstehen kannst, Seth, Alleiniger, Wirkender, Liebender
Tu es un jungle, sans avenir ni passé, sans promesse surtout
Aus welcher Tiefe kommst du, Seth, Gehörnter, Lockiger, Seth, der du Flügel trägst
Seth, du bist der Orgasmus, du bist die Reinheit, die Gott nicht kreierte, du bist das Wachstum, die Größe
Horror on my wings
Du Löwenbezwinger, vermähltest dich mit Sekhmet, dem Krieg
Das Entsetzlichste ist dir das Nächste
Visions of half the world turned black
Du bist der Krieg, du bist der Aufstand
Deine Kinder sind Pothos und Eros, du bist der Herrscher, der einzig Wandelnde
Seth, du willst alles, und die Welt hat einen Riss
Deinen Riss, dein Vermächtnis, deine Hingabe, deine Macht
Sohn der Erde, Sehnender, Verlangender,
zeuge dein Reich der Lust, des Wollens, des Handelns, Gesalbter
Seth, Urgewalt, Träumender, finde das Reich, das Ende der Erde, das Glück Zarathustras, Seth, du bist die Vereinigung, der Friede, das Blut und die Hingabe der Götter
Du bist das Fleisch, du lebst, Seth, in deinem Willen
Seth die Extase, Seth das Königreich
Blutgedanken bäumen sich empor
Seth der Bringer
Seth das Verderben der Blüten
Du wahrer Sonnengott
Yes. We kill them. We kill them all right. Yes. Yes. Yes.
Seth das Ende.
Lass dir das gesagt sein
Man sollte sich für kleine Fische nicht vom Fischer aufs Maul geben lassen.
Moloch
Molochs kalte Augen suchen auf dem Asphalt
Zermahlene Sonne und Zorn
Was?! will er wissen
Brandlöcher die Augen
Ein Drehen seines Kopfes und die Liebe ist neu erfunden
Im feuchten Rinnstein
Zigarettenasche und Spucke unter den Nägeln
Er findet es lustig, hustend zu jubeln
Und dann geht weiß die Sonne auf
Maelstroem
Der Ozean
Stein und Rhythmus – große Namen in Ewigkeit – Kontrollsendung Am Anfang war das Wort, die Geschichte, die Struktur: man konzipiere sich seine Realität. Das Leben in Vernunft ist die Liebe Gottes. Am Anfang der Geschichte steht das Wort – das Wort des Steinmeißlers – Worte stanzen Geschichte. Und die Kinder befanden sich artig bei vergnüglichem Spiele. Kontrolliere deinen Verstand – ecce homo sapiens – entered the circle of life and death, run along association lines – am 15.04.1980 verstarb Jean Paul Sartre, remember remember positive Zahlen prägen. Die Spur des Menschen in der Welt eine oszillierende Gerade nach oben.
Der Himmel
Gelangweilt von der Idee. In the beginning was the word, and the word was bullshit – mein Schatz ist fern von den Häusern – je serais oisif et brutal – membres dor – der Teufel steckt im Detail Gott noch in der Grammatik – burn the priests – zerschneide den Grund den Willen – töte den Gedanken – cut word lines; cut music lines, smash the control images, smash the control machine, kill the priests, kill kill kill – der Rest ist Gift des ganzen Menschen Leidensideal – atomarer Ton der zersprungenen Sonne – without infection – cest la tempête qui se jette dans la mer.
Der Maelstroem
Der Tod des Sinns Ergreifung ins Nichts – Vakkum entblößter Kristalle schlängelt. Sag mir die Zeit? küss mich oh meine – Facettenauge aus dem Dunkel grammatisches wildes Sterben – Fick gesterne kranke Sterne – ihre bunten Bänder küssten Vakuum – is there time left – ich fühle meine Arme nicht ihre Haare tauchen weiche Bänder – küss mich manyfold wickedness of black hair devil – schlängelnde Kristalle in orgasm death – drei Wochen weiß eine Woche blut tanze Trommel cris danse danse danse danse Vakuumtrommel. Fick Grammatik Facettenauge des Teufels Schätze in sterbenden Kristallen meine schwarze Zeit – ihre schlängelnden Bänder spielten Tiefe versenken.
Tschako
“Ich figg eure Müdder! So wie er meine Müdder gefiggt habt!” grölte Tschako. Er wusste nicht mehr, was er da lallte. Der Schnaps besorgte das Reden. “Alle figg ich se”, schrie er in die Nacht. Er war alleine. Wo, wusste er nicht. Es war ihm egal. Irgend eine Wiese, und ein paar Bäume. Fahrräder. Autos. Egal. “10 Jahre!” Er spuckte beim Reden. “10 Jahre war ich im Knast.” Er schüttelte seine Faust. Seine fleischigen Lippen spuckten weiter. Er spürte ein Würgen und nahm noch einen Schluck, zur Beruhigung. “Unschuldig! Ich hab andere beschützt, das hab ich gemacht!” Nicht einmal die Nacht hörte ihm zu. Der Mond beschien seinen bleichen, schwammigen Körper. Er hatte nur eine Hose an. “Aaaaaaber…!” seine Augen waren schon lange aus der Bahn gebrochen. “Aber ich hab noch meinen Kopf! Und den – brauch ich auch! Weil ich bin ein Fremder.” Ein weiterer Schluck. “Und das … krieg ich nich in meinen Kopf. Und ihr Wichser! Für euch hab ich gebüßt! Für euch scheiß Reiche!” Er nahm einen tiefen Schluck. Er taumelte. “Was wollt ihr von mir? Gar nix?” Es ergab keinen Sinn mehr. Auch für ihn nicht. Aber das war egal. Er war da und lebt noch sein Scheißleben. Das konnte ihm keiner nehmen.
Er war einmal jung gewesen. Egal. Er dachte nicht mehr daran. Der Schnaps erlaubte es ihm nicht. Er hatte sich seine Vergangenheit weggesoffen. “Kommt doch her, alle, ich mach euch platt, so wahr mein Name Tschako heißt! T-S-C-H-A-K-O. Mit S-C-H. Aber ich sags euch… ich werde, das wieder gut machen. Grade machen.” Er wussten nicht mehr, was es war, das er tun wollte. Aber irgendwo in seinem zerfressenen Gehirn nagte es. Manchmal, wenn er morgens aufwachte, wütete es. Der erste Klare machte es erträglicher. Es war ihm zuwider.
Er hatte schon alles vergessen, alles verloren. Nur das nicht. Warum gerade dieses beschissene Gefühl nicht? Der Mann in Tschako lehnte sich auf, wenn er dieses Gefühl spürte. Vor der Welt hatte er Ruhe. Der war er scheißegal. Seit langem schon. Seit dem Knast.
“Tschako!” rief er. “Tschako! Niemand scheißt dir mehr in den Kopf. Die können mich alle am Arsch lecken.” Er wurde plötzlich wütend. Er kniete sich hin und verpasste dem Boden eine. Es war lächerlich. Seine mageren Fäustchen waren zu nichts mehr gut. Früher! Ja früher! Aber was wusste er schon. Seine Schläge trafen schon lange keinen mehr.
Er nahm noch einen zur Brust, zur Beruhigung. “Kannst du mich hören, du Arschloch. Komm doch her!” Der Ausweg eines Sterbenden, eines Letzten. “Ich bin der letzte!”, schoss ihm durch den Kopf. “Nach mir kommt nix mehr.”
Er trank noch einen Schluck. Der scheiß Wald begann, sich zu drehen. Aber was, er drehte sich schon den ganzen Abend. Was ging ihn der scheiß Wald an. “Was geht mich der scheiß Wald an?” Sein verquollenes Gesicht glänzte. Ja, er hatte noch Kraft! Und er würde schon alles wieder gut machen. Das wusste er. Und er trank noch einen Schluck. Die Flasche war leer. Er versuchte, sie gegen einen Baum zu schmeißen. Sie dotzte auf dem Boden auf und kullerte zwischen ein paar Büsche. Egal. Scheiß Bäume. er knackte sich ein Bier.
“Aber könnt ihr das nich verstehen?” Ihm wurde schwarz vor Augen und er sackte auf die feuchte Wiese.
x
Leere. Das, was er immer gesucht hatte. Seit dem Knast. In den ganzen verdammten Kneipen, dem ganzen Schnaps. In den ganzen Schlampen, die er gebumst hatte. Seit dem Knast –
Schon vorher. Ja, schon vorher. Davor hatte er auch schon gesoffen, jeden Tag. Aber da war er König gewesen. Von der ganzen Welt war er der König gewesen. Er hatte auf alles geschissen. Die anderen waren in die Schule gegangen. Gut, das hatte er auch gemacht, aber Bock hatte er nie drauf gehabt. Die anderen hatte irgend ne Lehre gemacht. Ja, hatte er auch gemacht. Schlosser. Der Gesellenbrief lag noch in einer Schublade. N guter Schlosser war er gewesen. Aber Bock hatte er keinen drauf gehabt. Das beste daran war, abends mit den Jungs noch einen zur Brust nehmen. Da war er König gewesen. Saufen hatte er können, und die Weiber waren ihm nachgegangen. Die ganzen Jungs hatte er untern Tisch gesoffen, und danach hatte er sich noch ne Alte abgeschleppt. Der nächste Morgen war dann immer hart gewesen. Aber drauf geschissen.
Die ganzen Langweiler. Und Tschako hatte alles. Machte gut Kohle, sein BMW hatte ein Lederlenkrad. Fickte die Weiber. Wenn einer ihm dumm kam, gabs aufs Maul. Einmal hatte er zwei Wichser ganz allein verprügelt. Die Anzeige war Tschako scheißegal gewesen. Seine Nase wars ja nicht gewesen, die zu blutigem Klump gehauen war.
Der Alkohol. Tschako dampfte erst nach dem achten Schnaps richtig auf. Und da fing er erst an!
Und dann an einem Abend diese zwei Idioten. Eierköppe! Den ganzen Abend hatten die schon so rübergeschaut. Tschako hatte gelacht, innerlich, nicht nur innerlich, die sollten ruhig wissen, dass er wusste, dass sie eifersüchtig waren. Er hatte ihnen den Stinkefinger gezeigt, und Tanja an sich gezogen, und ihr breit grinsend einen Kuss auf den Mund gegeben. Dann waren die zwei Trottel rüber gekommen und hatten Stunk gemacht. Was denn? Ja was denn? Ihr Wichser, verpisst euch doch, oder wollt ihr aufs Maul? Sie wollten aufs Maul. Das hatte Tschako auch nach dem zwölften noch kapiert. Die sollten ruhig sehen! Und er hatte sein Glas genommen und es dem einen Trottel mitten auf seine Trottelstirn geknallt. Und das halbe Hemd war einfach zu Boden gegangen. Was hatte der sich auch mit ihm angelegt? Geschah ihm ganz recht. Bevor der auf ihn losging, hatte Tschako lieber den Anfang gemacht. Besser, als die eigene Nase zusammengetrümmert zu bekommen. Da standen die Weiber gar nich drauf. Das war dem Erik mal passiert, und seitdem schaute den keine mehr an.
Außerdem, so hart hatte er ja auch nicht zugehauen.
Aber dann war alles losgegangen, und drei Monate später war Tschako im Knast gelandet. Totschlag. Zehn Jahre. Zehn Jahre! Für was denn. Er hatte doch nur einmal zugehaun, in Notwehr! Und noch nicht mal so hart zugehauen hatte er, da konnte er noch viel härter! Die scheiß Pisser, die waren doch gekommen! Notwehr war das gewesen! Am Ende wären die noch Tanja an die Wäsche gegangen, wenn er nix gemacht hätte! Knast. Was sollte das? Nix gab es da, keine Frauen, keinen Suff. N paar von den Jungs da waren ganz in Ordnung, aber es gab auch richtige Vögel. Mörder, und Betrüger, das ganze Gesocks. Und zwischendrin er. Er war immer n Anständiger gewesen, n verdammt guter Schlosser, das hatten die vom Betrieb ihm immer gesagt. Der Hans, der fette Gruppa, und Ihsan auch, und der musste es ja wissen. Und scheiße, zu saufen gabs nix im Knast. Würde er saufen, wenn er wieder draußen war! Und ficken! Er würde der Welt schon zeigen, wer Tschako war, wenn er rauskäme. Die sollten sich mal alle ficken!
x
Tschako wachte auf, morgens, es war kaum hell. Er fühlte sich scheiße. Er kotzte. Nur Flüssigkeit und Galle. Scheiß drauf. Er suchte in seiner Tasche nach einem neuen Bier und knackte es auf. Der erste Schluck war ekelhaft. Er würgte und kotzte nochmal. Der zweite Schluck löschte den widerlichen Durst in seiner Kehle. Er schwemmte den Kotzgeschmack runter. Er musste zum Supermarkt, neues Bier kaufen. Und neuen Schnaps.
Die Schlange in der Fresse
Es gibt ein Gleichnis von Nietzsche, in dem ein Mann mit einer Schlange ringt, die ihm in den Mund gekrochen ist und sich dort festgebissen hat. Es ist das Gleichnis des Menschen, wie er mit der Beschaffenheit seines Wesens ringt und droht, daran zu ersticken.
Die Beschaffenheit meines Wesens ist der Neid. Früher habe ich ihn nur immanent, direkt und konkret gekannt – es war ein bestimmter Neid, wegen einer Frau, einer Fähigkeit, wegen Lebensumständen.
Durch mein Altern, vielleicht durch den Tribut, den ich dem Moloch mittlerweile in seinen Schlund kippen muss, durch den damit einhergehenden Verlust meiner Freiheit, in der Gestaltung meiner Zeit und dem Verlust der theoretischen Möglichkeit, alles zu werden, ist auch mein Neid thereotischer geworden: Transzendenter, allumfassender und vor allem brutaler, gewalttätiger. Ich neide nicht nur anderen das Glück, mit dem sie ihre Entscheidungen getroffen zu haben scheinen, sondern auch die Illusion gleich mit, dass dem tatsächlich so sei.
Aber der Neid überkommt mich besonders daher, dass mir, wie in Phantomschmerzen, ständig bewusst ist, was ich nicht habe, dadurch, dass ich mich dazu entschieden habe, es nicht zu haben, in dem ich etwas anderes wollte.
Dieses Gefühl verstopft mir den Rachen derart, dass es oft in der völligsten Perspektivlosigkeit endet, auch mit dem Gefühl der Mittelmäßigkeit, die sich herzhaft aus dem Verlust der theoretischen Allmöglichkeit speist – Mittelmäßigkeit der Erfahrungswelten, Mittelmäßigkeit des empfundenen Glücks, des Behagens, das ich mir ausgesucht habe. Mittelmäßigkeit der theatralischen Sendung. Ich weiß, anders als der Mann in Nietzsches Gleichnis, dass ich an dieser Schlange nicht ersticken werde. Aber ich würde sie gerne ganz hinunterschlucken.
Morgens
Es fallen ständig meine schwarzen Augen zu
Mein Körper atmet trocken in der Morgensonne
-Mann, du trinkst zu viel, das weißt du schon, ne?
Auf dem Morgenpflaster schleppt mein müder Schuh
Mein Magen krampft, und meine schwachen Beine zittern
Ruhe will mein Körper und mein Atem stinkt
Heiser meine Kehle, die die Nächte singt
Jeder meiner Schritte Schande unsren Müttern.
Aber noch bin ich nicht tot, oh nein, noch nicht
Würgend kann ich immer noch im Tanzen, Lachen,
Feiern, Saufen, Fremde lieben – alles machen
Und mach es, bis mein Körper endlich bricht
Bis ich nicht mehr blicken kann und nicht mehr stehn
Und lachend, aus dem Maule blutend untergeh.
Amyotrophe Lateralsklerose
Das einzige, was sich noch regt, ist das Wollen. Während die Taten, das Lachen anderer in kleinen, schneidenden Kristallen auf meine Wangen rieseln, mein noch waches Auge alles sieht, was ich vor zwei Jahren selbst noch getan, selbst noch angefasst, selbst noch gefressen hätte, ruhen meine Hände bereits im Grab meines Schoßes, begraben unter einer Decke, die sie noch warm hält – warum, das könnte beim besten Willen keine Mensch sagen, und ich am Wenigsten.
Ich kann mit ihnen nichts mehr anfangen – sie sind nur noch Dinge, die mir verdeutlichen, dass ich überhaupt nichts mehr machen kann, außer dabei zuzugucken, wie das Leben mir in blutroten Wellen ins Gesicht und um den Körper pulst und ich im Leben ein Fremdkörper bin.
Manchmal wünschte ich, man würde sie mir abnehmen, meine Hände, damit ich nicht durch mich selbst daran erinnert werde, was für ein Dasein ich führe. Wenn das eigene Selbst die Mauer wird, die einen vom Leben scheidet.
Wenn das Leben ständig seine Unbändigkeit, seine Ausgelassenheit auf mich pinkelt.
Wenn die Körnchen, die, die Perfidie selbst, das Quäntchen Organik in mir, mein Geist, meine Augen und – warum? – mein Geschlechtsteil sind, sich nur weiter in sich zurückziehen können, um nicht dem Sturm zu erliegen, der sie wegtragen will.
Will er das? Dem Sturm bin ich egal, aber manchmal tut es gut, das, was man nicht ändern kann, zu personifizieren – es macht den Hass konkreter.
Das konkreteste Ziel aber, das Ziel meines Hasses, das bin ich. Ich bin mein eigener advocatus diaboli. Homo homini lupus – damit ist das Selbst gemeint. – Zu solchen Capricen bin ich noch fähig, bon mots fallen mir ein am laufenden Band, mein einziges Vergnügen, das mir noch bleibt. Und ich hasse es.
Gral
Das einzige Geheimnis ist, dass es keine Geheimnisse gibt.
Genesis & Exodus
Am Anfang war die Langeweile. Gott schuf nur, weil ihm langweilig war. Und der Mensch, als das klügste Tier, wieviel freie Zeit hat er zu füllen.. Der Mensch ist das gelangweilteste Wesen der Erde. Langeweile ist der erste kulturelle Grund unserer Kultur. Nun hat die menschliche Hand viel zu viel Fleisch an sich für die Perfektion Gottes. Perfektion wäre nur perfekt, wenn sie nicht langweilig wäre. Es ist die einzige Sünde des Menschen, nichts mit seiner Langeweile anfangen zu können. Alle Wahrheit ist einfach und deswegen langweilig. Der Mensch bemüht sich folglich um das Verkomplizieren der Wahrheit. Reizvoll sind allein Fragen des Details. Wenn man die Dinge beim Namen nennt, werden sie langweilig. Über die Jahrtausende wurde aus dem Geheimnis, das der Mensch sich gegen seine Langeweile geschaffen hatte, eine Wahrheit, die dem Menschen „unergründbar“ wurde. Einige suchten doch, und fanden den leichten Weg zu Gott. Philosophen fanden den steinigen Weg zu Gott. Aber auch die Unergründbarkeit des Geheimnisses wurde langweilig. Der Mensch wurde fatalistisch und rettete sich in die Welt. Er begibt sich in die Wahrheit. Warum die Neugier, Warum das Hinauswagen? –Langeweile.
Langeweile ist der fruchtbarste Nährboden. Alles ist langweilig, doch gibt es Wunder. Das größte Wunder ist der Mensch. Der Mensch muss lernen, sich auf den Kopf zu schauen. Wenn auch die Welt leer ist, so wird doch nie der Mensch leer sein. Der Mensch ist der einzige, der wahrhaft schafft. Unnötiges schaffen ist das wirksamste Mittel gegen Langeweile. Schaffen ist Kultur. Unnötiges schaffen ist der Gipfel der Kultur. Kunst in ihrer Essenz ist unnötig, alles andere an ihr ist Didaktik. Referenzlose Kunst kann nicht geschaffen werden, da der Mensch nicht Gott ist, und könnte sie es werden, wäre sie langweilig. Der Mensch kann sich mit seinem Schaffen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Was ist nicht ein Produkt des Menschen?
Galahad starb, als er in den Gral schaute, da er sah, dass er leer war.
Der Zeitgeist
I
Gebunden von den Herren
Verköstigten darbende Bauern völlernden Adel
Das Ebenbild Gottes, die Krone der Schöpfung,
schwitzte auf gepachteten Äckern
II
Dann entdeckte das Volk sich selbst
Und wunderte sich
Über seine Misere
Jetzt am Rande der Galaxie, stürmte es die Bastille
Brüllte Freiheit
Und köpfte reihenweise Könige
III
Die zweite Aufklärung folgte;
Auch die Frau zog sich Hosen an
Diktatorengeschwüre halfen der Vernunft auf die rechte Bahn
Empörte konnten Nein sagen
Fortschritt wurde größer und größer geschrieben
Jugendliche flüchteten vor dem Nasenbohrertum der Bürgerlichen
Bewusstsein schoss in kurzhaarige Köpfe
Man hatte Spaß, der Kontrast machte es möglich
IV
Der Zeitgeist ist gemordet
Kaltblütig, unerbittlich zerrte man ihn zu Boden
Stampfte ihn ein
Übertoleranz hat sich breit gemacht
Die Jugend versucht wie immer auszubrechen
Doch woraus?
Keinen interessiert keiner mehr
Man steht mit Tabus auf
Und geht ohne Kopfschmerzen ins Bett
Der Gegner ist fern
Zu fern für das revolutionäre Herz
Wissenschaften schlagen mit Kenntnissen um sich
Analysieren die Welt zugrunde
Und fordern jetzt endgültig den Tod Gottes
Schwimm mit, rufen die Fische
Und wirklich:
Da Lachen nicht mehr reizt,
da Kämpfen nicht mehr stört,
da jeder alles weiß,
kann man nur noch
einschlafen.
Die Kirche wurde bereits von hohnlachenden Progressiven zu Tode gestichelt, und zog bei ihrem Fall mit muskulöser Hand den erschrockenen Gott mit hinunter in die Tiefen der immanenten Welt.
Ein jeder Staatsmann hat längst eine Fratze.
Schönheit und Form wurde schon von tausenden überwunden, oder unterwunden.
Zeitgenössische Künstler ziehen sich, da sie die Zeit beobachteten, angstvoll, flink kriechend, in ihr Schneckenhaus zurück, unverstanden, vergeistigt und bewundert verharren sie, froh über den Ausweg und den Ruhm, in ihren dunklen Mauern, die der Pöbel noch stärkt.
Die Reihen der Pioniere sind zum Platzen voll.
Jede Idee hat längst ihr Maul gefunden, in die Welt zu springen.
Der gehetzte Dichter sucht vergeblich, flehentlich nach einer Lücke, in die er sich überzeugt und wortkräftig zu den Großen gesellen kann.
Der Mensch weiß schon alles, denkt sich der zum Ausdruck Drängende und ärgert sich, dass er seine Weisheit nicht mehr vor die Säue werfen kann.
Ein jeder Name von Welt hat sein Konzept, und es gibt deren tausende.
Progress
Da poltert es uns nach unten
Den steinigen Pfad
Es gähnt noch nicht der Abgrund
Doch singen zitternd die Vögel davon
Uns ein Sisyphos, hoffen die panischen Augen
Auch immer wieder, rufen flehend die demütigen Hände,
bloß
nicht
nimmermehr
Machina diabolis
In einer Zeit, so grausam und so golden wie eine jede andre auch, lebte, wohl genährt und gebildet unter seinesgleichen, ein Mensch, der zu schwach war, um glücklich zu sein. Nach Jahren des Zauderns und Zögerns begann er schließlich, sich eine Maschine zu errichten. Es war dies ein ungeheures Folterinstrument voll der peinigendsten Apparaturen, die der menschliche Geist sich nur erdenken kann. Weinend und klagend vollbrachte der Mann sein Werk. Seine ganze Hingabe, alles andere übersehend, galt dieser Konstruktion, und er wurde krankhaft. So verließen ihn Weib und Freunde und er verwahrloste an Körper und Geist. Es dauerte nicht lange, da war die Maschine fertig gestellt; seine letzte Energie hatte der Mann in sein schreckliches Werk gelegt. Sobald dieses aber vollendet war, begab sich der Mann, eine melancholische und unverstandene Träne auf der Wange, unter die Apparatur und gab sich ganz der unmenschlichen Marter, Produkt seines Geistes, hin und verschied langsam und voller Qualen aus dieser Welt, die nicht die seine war.
Schicksal
In den Kerker winkt die feste
Wie in den Palast.
Wer König ist und
Wer darbt
Liegt im Kopf
kämpft, oder auch nicht.
Wollen
Etwas in dir zuckt und möchte
Verfluchen könntest du das Gewicht
Ein Band um den Fuß der Taube
Ein Gesang, von der Schwere erstickt
Der Wille schläft – unruhig.
Das Ungeborene
Es ist in meinem Kopf
Ich bin verliebt und hätte mich
gerne gesonnt darin
Ich will mich dafür geschaffen
Aber an seiner Stelle, draußen,
finde ich den Hauch der Leere
die Mutter hat es anders gemeint.
Kali
Kalt grinst die geile Fratze
Einladend haucht ihr Busen
Schmeichelnd ihr Griff
Und Wut der Augen
Lächelnd versteckt sie sich
Leicht ihr Fuß, und Luft
Hinter dem Unzerreißbaren
Umarmt die Erde
Und will sich mir plötzlich
entblößen
Die Helle
Es ist Zeit, aufzuhören, Fragen zu stellen
Der Himmel singt die Wahrheit
Wollen wollen muss der Mensch, er ist zu alt
Es ist nicht die Dummheit der Menschen
Ich liebe die Dummheit
Ein jeder sieht das Blau des Himmels
Keiner fordert dass ihr euch umarmt
Keiner fordert euren Tod
Liebe das, was ist, denn
mehr bekommt niemand.
Verhalten kann vom Willen anerzogen werden, und Gefühle, und Gewissen – selbst der Wille kann vom Willen anerzogen werden.
Wille ist der erste Schritt zur Erkenntnis.
Ob ein dauerhafter Zustand befriedigt, hängt vom Grad des Bewusstseins seines Erlebens ab.
Sein statt rebellieren – wogegen auch?
Man bekommt soviel geboten, wie man will, dass man geboten kriegt.
In der Sonne sitzen, solange sie da ist, und sich dann des Schattens freu’n.
Die Geliebte
Ich liege in ihrer Umarmung, ihrer dunklen
Ein endloses Ausatmen
Ich schwebe in ihrer Wärme
Mein Körper und mein Kopf sind Luft
Innig verbunden mit dem sanften Dunkel
Eine weiche, schwere Melodie
Lächelnd umschmeichelt sie meinen Körper
Die Dunkelheit ist eine Frau
Ich verschmelze mit der Nacht
Freude
Der Mensch blickt sich um
Er sieht einen Wasserfall, der Vögel Flug, sieht die einzige
Er erblickt sich selbst, und sein Innerstes, aus Luft und Funken, er sieht hinaus, hinab
Der Mensch hat Auge genug, er hat die Wahl
Liebe, Hingabe zur Maske
Meilenlange Schlangen winden sich durch rauschende Gärten
Gesang hallt durch den Dschungel
Es lebt der Rausch, das Lachen
Man baut den Dichtern einen Tempel
Und sonnt sich in der Menschlichkeit
In Laster, Freude, Lust
Löwen, Lämmer, Drachen, Pferde tanzen mit den Lieblingen der Sonne
Kinder rennen spielend um beseelte Bäume
Ein Gott wird besungen, oder gehasst
Auf der Suche nach der Güte oder ihrer krummen Schwester
Buntes Treiben, wild und schön
Leid wird geküsst und Kriege gefochten
Das Land zählt alles, oder die Kunst, oder der
Wohlstand, oder das Lachen
Fein ist die Mode, oder auch nicht
Die Frage der Werte wird geatmet als der süßeste Duft
Es herrscht der Geschmack, die Tugend und die Sünde
Das Glück umarmt den Zufall, und die Misere
Hingerissen von Sieg und Tändeln
Fühlt jeder das Ich in sich
Eine Seele, ein Geist, wie ein Flimmern über einem
Körper
Einheit, oder Zweiheit, der Mensch ist d a s Rätsel
Wie Wunder Gott schuf, oder der Zufall,
Eine lichte Zauberwelt, ein Labyrinth aus Blumen
Kreuzen Ringen
Ein Dickicht der Triebe
Die Frau ist eine Göttin der Sinne, heilig ist sie in ihren
Begierden, ihrem Gebären Rot ist der Mond
Der Leuchtende, der Lichtbringer, geht lächelnd durch
die Menge
Ruft Wissenschaft dem einen, schöne Kunst dem andren
zu
Ein Hoch auf den Menschen, den Schlussstein der Natur
Ein verwundertes, eigentlich erstauntes Hoch
Mit glänzenden Augen und lachenden Mündern
Die Höhe kommt näher, auf der die Taube ruht
Glut ist heilig, und Sitten und Freiheit
Ein Mythos, der Kosmos, klingend und dunkel
Alles schwingt und ist in Bewegung
Die Augen halb geschlossen, wandelt der Genießende
Taumelnd, oder gerade, dankend dem, der die Freiheit schützend und unterstützend gibt
•
Der Wollende, der Starke, der Tolle,
Er stellt den Fuß auf den kalten Boden
Wagt sich tastend zur Schwelle
Erblickt die Kälte, die Helligkeit,
Die Welt ist ein stöberndes Gestürm, glitzernd weiß, ungerührt und willensstark, glänzend
Der Kampf regiert und bedeutet das Leben
Eine Geisterwelt gibt es nicht.
Fröstelnd wird dem Geist, der sich die Augen aufhält
Er sieht die Tiefe, sieht, dass es keine Tiefe gibt
Er sieht Gott, sieht, dass es keinen Gott gibt
(Nur Gottes Geburt, das Schicksal, regiert)
Er sieht Gottes Schöpfung, sieht, dass es nur Gottes Schöpfung gibt
Erspäht sich am Saum, weiß sich in der Mitte
Die Welt ist ein Wirbel aus Luft
Es liegt am Selbst, ob Dunkel ist
Frohlockt, der Standpunkt ist variabel
Ob krank oder strahlend, Gott stört es nicht
Das ist die kalte Freiheit, eine Freiheit dritten Grades
Der Mensch kann nicht zum Affen zurück, und Gott hat die Brücke zerstört zu sich
Das wahrhaft Wahre ist einfach, schwer ist die Angst, die tastende Hand dessen, der glaubt zu stürzen
Der, der stürzen will, fragt sich selbst, ob er in die Tiefe
fällt oder gleitet,
ob Federn ihn empfangen oder Fels
Das Geheimnis ist gesprengt, und was kommt, ist Kälte oder Mittag.
Der Kopf schneidert die Welt, oder nimmt sie
Was herrscht, ist die Erkenntnis, oder die Verkenntnis
Was tanzen macht, ist der Sprung vom Affen.
Der Sturm
Sich dem Sturm öffnen
Und merken, dass er lächelt
Sein Tosen ist Leben, wie lächelndes Verhängnis
Hungrig sich dem Sturm geben
Es gibt keinen Hirten
Sich in das Treiben stürzen,
aufgefangen werden von den Winden
es fällt nicht, der sich wagt.
Umarmung
Es brüllt jede Linde die Freude den Schmerz Gottes
Ein jeder Funke kündigt das erdige Evangelium
Himmel – schrei’n die Hürden und die streichelnden umschmeichelnden Hände
Hier heiratet heute die Luft das Licht
Ein Gleißen, das den Augen nicht wehe tut
Ein Jauchzen, das Jericho nicht zum Einsturz bringen
brauchen würde
Deine Brust öffnet sich und lässt die ganze Welt hinein
Geht zugrunde an ihrer Qual und frohlockt darüber
Fege die Wolken beiseite, um die Sonne zu sehen,
das Gestürm, das auf einen Wink der Frühling ist
Dieses Flackern, das mit einem Blinzeln aufflammt
Und die tiefsten Höhen leuchtet
Du dankst Gott für jeden deiner Sinne deiner Zwänge
Hohn trieft nur der Witz, lustig und lacht
Macht der Schönheit schöne Augen
Und betrinkt euch mit Wein mit Schönheit
Die Realität erlesen, das einzige, das du hast
Weinen muss jeder, der nicht tanzen will
Ein Adlerschrei durchschneidet die Luft deine Seele
Wie das Lindenblatt
Der Schrei – ja, der Freude
Zum Leid ist im Tode genug Zeit
Eins hat der Blinde dem Sehenden voraus
Aber Hurra rufen beide
Wenn ich tanze
Vergesse ich wer ich bin
Vergesse ich dass es andere gibt
die nicht ich sind
wenn ich lache gibt es kein Übel mehr
wenn ich singe singt Gott aus mir
Die flimmernde Luft über den Wipfeln droht
… zu versteinern
Zweifel
Ich baute mir meinen Thron
Schmückte ihn mit Namen und Gelächter
Doch da ich mich darauf setzte
Fühlte ich mich zu fett darin
(Mein Auge troff vor Sicherheit
Meine Finger wollten geschmeidig ruhn,
alles kam mir jedoch so linkisch vor)
Klarheit
Ich sehe mich in den Augen der anderen
Ihr lob ihr lob trübt meinen Blick
Ihr Tadel senkt sich darein
Aus ihren Augen reißen muss ich mir mein Bild
Um wieder sehen zu können
Zurück
Du bist zu lange mit den Vögeln geflogen
Hast zu lange über die Wolken geschaut
Es wird wieder Zeit zu tauchen
Wieder über menschliches zu weinen
Wieder lieben lernen den Glanz den Schmutz
Es wird wieder Zeit, sich abzuwenden von den Sternen
Etwas anderes sehen zu wollen als den Hauch Gottes
Wieder ablassen vom eigenen
Sich enteignen
Du fischst viel lächelnder im Trüben
Trinkst viel lieber Tafelwein
Denn Nektar
Schaust viel freudiger die Menschen wirklich an (oder
ihre Masken)
Heule doch,
für eine Zeit lang wenigstens, wieder mit den Hunden
Der erzne Mensch weint nicht
Und kennt nur das göttliche Lachen
Hungert dich nicht nach Hunger?
Dürstet es dich nicht nach Schlaflosigkeit?
Betrübt dich nicht deine Trägheit
Feist auf deinem Throne zu sitzen?
Furchen stehn von Zeit zu Zeit
Einer Stirn nicht schlecht.
Der Wink
Nichts antwortet gleich des Dionysos’ Wandeln
Zaghaft schwindet der Götter Halt
Ob seines Anblicks, des wahrhaft Unbedachten
Es zittert der schattenbringende Pfeil des Apoll
Es glänzt trüber die Rüstung der Pallas
Minder geifert die garstige Gemahlin des Donnerers
Der selbst auch grübelnd die strotzenden Arme verschränkt
Drüber steht, mit taumelndem Worte und wüstem Blick
Der schwächste der Götter, der Launenlose
In trunkenem Wahn gebietet er wahrhaft
Einhalt der Versteinerung
Nie meinte es ernster einer mit dem Scherz
Nie erkaufte mehr Leben sich einer mit spielendem Auge
Heitrer Triumph beschämt ringsum
Dessen Woher ungewiss, dessen Wirkung jedoch der Hauch
Der den Staub zum Wirbeln treibt so ersichtlich
Nicht scheint die letzte Aufgabe des tiefst Blickenden
Die Dinge zum Leben zu bringen
Sondern der Welt rosige Wangen zu verleihen
Aufdass sie strahle auf den Sonnenden
Den Sohn der Sonne
Der gefiederte Gott – Fleisch und Erz
Die Hochzeit des Stahls mit der blauen Blume
Liebe
Langsam kam sie auf mein Bett zu. Sie war immer noch schön, trotz der vielen Jahre, die inzwischen vergangen waren. Meine Augen schmerzten und mein Herz schlug unregelmäßig. Ich sah sie an, und sie erwiderte meinen Blick. Ihre Augen! Gott, was hatte ich diese Frau geliebt und ich liebte sie immer noch. Ihre Lippen zitterten leicht, doch ihr Blick war fest. Nach ein paar Sekunden fragte sie mich: -Klaus warst Du es?
Ich antwortete nicht. Ihr Blick wurde härter. Sie fragte noch einmal, lauter: -Hast Du das getan? Ich versuchte, zu antworten, doch es kam nur ein fader Lufthauch über meine rissigen Lippen. Mein Herz pumpte hart gegen meine Brust. Was wollte ich ihr überhaupt sagen?
Ja, ich war es gewesen. Ich hatte ihr Leben zerstört. Sie hatte so glücklich ausgesehen damals, und ich war verrückt nach ihr gewesen. Aber sie hatte mich nicht einmal angesehen. Nicht so, wie sie Martin angesehen hatte. Ich hatte Martin gehasst dafür. Aber die Liebe zu ihr war nicht gegangen. Im Gegenteil, sie war nur schmerzhafter geworden. Ich verrannte mich haltlos in dieses Gefühl, und es hatte gedroht, mich zu ersticken. Ich konnte nächtelang nicht schlafen, dachte nur an sie, immer nur an sie und wie sie in Martins Armen ein Glück genoss, das sie von mir doch tausendmal mehr geschenkt bekommen hätte. Aber sie wollte es nicht. Sie wusste nicht einmal, dass es ihr offen stand. Nicht, dass es nicht offensichtlich gewesen wäre, aber sie war wie blind dafür, es kümmerte sie nicht.
Monate verstrichen, und es ging so weiter, Martin und sie, sie und Martin, und ich irgendwo im Hintergrund, am Rand eines Fotos, eine flüchtige Erwähnung. Ich tobte, und nichts konnte mir helfen, ich fühlte, wie ich langsam verrückt wurde. Dann keimte es in mir. Ganz plötzlich, in einer der zahlreichen schlaflosen Nächte, als ich halb betrunken auf meiner Couch dämmerte ich hätte ihr den Himmel geschenkt und wenn sie den nicht wollte, dann würde ich ihr die Hölle schenken. Sie sollte mich hassen, wenn sie mich schon nicht liebte. Fast bedeutete es mir genauso viel, den Hass dieser Frau auf mich zu ziehen, wie ihre Liebe.
Und dann tat ich es.
Als sie nun dastand, all diese Jahre später, im Krankenhaus an meinem Bett, und als ihr alles langsam bewusst wurde, sie Gewissheit bekam da spürte ich es – ja, jetzt endlich war ich das Zentrum dieser Frau, der Mittelpunkt ihrer Welt, alles, woran sie dachte, das war jetzt ich, ich war ihr Schmerz, ich war ihr alles. Tränen traten in meine Augen, nach der ganzen vergangenen Zeit hätte ich nie gedacht, dass ich in ihr so viel Platz einnehmen, dass ich ihr so wichtig werden könnte. Und sie konnte hassen, ich sah es in ihren Augen. Sie schienen schwarzes Feuer auf mich zu spucken, ihre Hände waren zu Fäusten geballt, ihre Lippen zusammengepresst und zwei Tränen rannen ihr still die Wangen hinunter. Mein Herz schlug wie verzweifelt, aber ich fühlte, dass dieser Moment zu viel war. Ich nahm meine letzte Kraft zusammen, holte so tief Luft, wie es eben noch ging, und hauchte: -Ja, ich war es.
Sie schien einen Augenblick zu versteinern. Ich genoss diesen Moment so sehr wie nichts in meinem Leben ich sonnte mich im Hass dieser nun meiner Frau wir waren verbunden, wurden eins, durch ihren Hass.
Sie kam langsam auf mich zu, zog langsam, bedacht, ihren Handschuh aus, ballte die Faust, holte aus und schlug mir mit voller Wucht ins Gesicht. Ich starb. Ich wurde von der Berührung meines Engels in die Nacht gerufen.
Unsere Generation
Der Kuss des Meeres ist tödlich. Das Meer von außen. Nur schlafen, nur Wellen, den Tang schon zwischen den Zehen, sorglos, denn die glatte Stirn ist der Sieg (so steht es in der Fibel). Der Fortschritt bringt die Lösung, das Delta in den Tod. Wo sind noch Schlachtfelder, die nicht nur Blut fordern? Die Pein unserer Generation, ihr Buchtitel: Auf der Suche nach den Schlachtfeldern. Kalte Finger haben den Engel seziert, Nasen haben ihn zerrochen, tote, weiße Augen sahen dabei zu, wie seine Flügel abgebrochen und Mikroskopiergläser zu Hermes gemacht wurden. Sein Todesröcheln verhallte zwischen den Trommeln der Kriege, über denen man die Welt vergaß. Vorwärts gegen die Wand, aber: die ist bunt angestrichen, und immer neu. Die Arabeske wurde gerade geschmiedet, gelangweilt, aus Pflichtbewusstsein, den Alten zum Trotz, weil die Alten die Alten sind, sie wurde eine Linie, ein Strom, der geradewegs ins Meer mündet, geradewegs in den Progress zum Letzten, geradewegs zur Erfüllung, denn der Mensch ist ein Rad, das vorwärts rollt.
Und ich, wo stehe ich in diesem fahlen Land, das Wochenendglück dankbar mit meinen Computerhänden mir die trockene Kehle hinunterschüttend, immer durstig wie meine Brüder und Schwestern, nur nicht wissend, wonach. Die Späteren werden das Aberglaube nennen und lachen. Später meint mir fast: Weiter. Unsere gesamte Metaphorik ist dem Tode geweiht. Wie Daumenschrauben, die sich aufwärts zusammenziehen, bis man daliegt in seiner Lache, die dann doch noch Mensch geblieben ist. Denn verrecken tun wir wie unsere Großmütter: Mit dem letzten Atemzug. Wo stehe ich zwischen den Schläfern, die sich selbst ihr Dynamit umschnallen, dem Terror entgegen? Schlafend ich schlafe auch, ich habe doch auch die Süßigkeit im Mund, die Hände manikürt, ich schreie doch auch den letzten Schrei mit. Gefahrenbewusstsein füttere ich meinem Stolz in kleinen Portiönchen in sein williges Mündchen, die Zähnchen längst vom Zucker verklebt. Das Thema ist kein neues, und das ist der bissigste Kopf der Hydra Rimbauds letzte Träne fiel auf das letzte Wort, das er zu schreiben hatte: Moderne.
Man kennt das schon, das ist konservativ! Das Weltwissen verdoppelt sich in 3 Jahren. Und alles wächst und gedeiht ins Neue. Und man verliert Blut bei jedem Schritt. Und man läuft leichter bei jedem Schritt. Und die Augen werden blasser, aber das erleichtert den Blick über die Horizonte. Die Gier und die Metaphysik hat keine Lust mehr auf die Metaphysik. Philosophen sind jetzt Politiker und Schriftsteller Journalisten. Artgerechte, nützliche Probleme bitte. Das Herz klopft nicht mehr in der Brust, keiner weiß, wo es sich hinverzogen hat, denn jeder hat die Nase vorne am Kopf kleben und die Augen gleich darüber. Und ich? Ich zorne in mich hinein, stampfe wütend mit dem Fuß, und dann schlafe ich weiter, das Kind nach dem Bäuerchen. Es ist eine subtile Wunde, und man ist böse, wenn sie schmerzt. Und wer will das schon. Wer will sich schon selbst das Brandzeichen in den Arm drücken.
Du kennst Lampedusa nicht? Dieser Blick: Ein saurer Geschmack. Man wird leichter zynisch in diesen Zeiten, als dass man ein Update von Mac OS verpasst, das Hündchen, das gehorsam und bissig neben dem Nach-vorn ins tiefere Wasser paddelt. Versteht man sich überhaupt noch. Wo sind die Kommunikatoren. Kleine, krumme Gelehrte haben sich runde Brillen angezogen und Menschenkleider angelegt und die Herzen gehören ihnen, denn sie kämpfen für alle gegen den bösen Schattenmann, den die Chimere dem Suchenden hingeworfen hat, und so ringt eine Elite nach der anderen danach, sich das rührendste Buch über eine verkackte Kindheit im Osten oder die Oma, die im Krieg verkümmert ist, aus geübten Fingern und geübten Gefühlen zu saugen. Und das Saugen geht leicht, es ist das Einfachste, denn der dichterische Schöpferschmerz dieser Kunstwerke ist doch Reinigung, die einen den Schritt weiter Richtung Besserung gehen lässt. Das neueste Gefühl präsentiert sich so warm und anschmiegsam wie ein Kältetod.
Um was sollte es gehen? Um das, was man sieht, wenn man sich den Kopf an der Progressfassade zerrannt hat, um die kleinen Fetzen, die zwischen Splittern von Gorillaglas und Hornbrillen, Hirn herumflittern. Bei denen sich etwas regt, wenn die ganze Polit-Sentimentalität und die hingezüchteten Kunstproblemchen aufgeraucht sind und man sich, erwacht, fast wundert, warum die Wangen feucht glänzen (und sich darüber doch auch ein bisschen freut, weil es zeigt, dass man ein Mensch mit Tiefgang ist ich kotze). Wo ist der Schock, der die Spiegelwelt zerbersten lässt, der mir meine Tempel wieder aufbaut, mit dem Schleier und der Lade, der die Cherubim abstaubt und in die Ecken gestellt, der das Erschauern, die Ehrfurcht zurückgibt?
Fusuma
It all begins with an idea.
Der Sinn des Wortes Wahrheit ist vielleicht epistemologischer, als mir das Ganze lieb ist. Mir geht es um unmittelbare Erfahrung. Mir geht es sicher nicht um den Kern der Dinge oder um die Triebfeder alles Lebendigen. All das ist viel zu fern.
Was ist schon ein tatsächlicher Beweis dafür, dass Napoleon wirklich gelebt hat? Es gibt sehr viel, dass dafür spricht. Aber man ist nicht da, man sieht ihn nicht selbst, und alles andere ist Hörensagen. Sehr fundiertes vielleicht, aber in jeder Faser mittelbar. Napoleon ist mir völlig egal, aber die Mittelbarkeit all dessen, was ich nicht direkt vor Augen habe, schmälert seine Existenz und reduziert es zum Bild. Warum soll ich irgendjemandem glauben? Wie kann ich irgendjemandem glauben? Farblos sind Busunfälle in Indien, Kriege und Stürme in New Orleans, die Medien können sich noch so sehr anstrengen. Ja, ich sehe es. Aber ich erlebe es nicht, und allein dadurch rückt es in unfühlbare Ferne, die ich bestenfalls noch ästhetisch betrachten kann. Ich bin nicht fähig, über den Rand meiner Erfahrung zu schauen. Das ist wohl gleichzeitig Anlage und Intention. Vielleicht ist es Unvermögen, es ist aber auch Selbstschutz.
Die Konsequenz wäre für mich ein Ertrinken im Mitleid, und ich bin nicht bereit, mich folgenlos für etwas Mittelbares aufzuopfern. Der gute Geschmack erwartet ein feuchtes Auge, aber dafür bin ich mir zu redlich. Ich bin sicher, dass ich hierin nicht der einzige bin. Ansonsten wären auf der Hochzeit von Will und Kate weniger Menschen dagewesen.
Frost
Meine kalte, blaue Hand schmerzt wie der Teufel, wenn ich sie gegen den Baum haue. Und der Baum bewegt sich nicht einmal einen Millimeter. Da ist man im Sommer und alles atmet, grünt und schmiegt sich, und plötzlich ist man im Winter und es ist Frost und alles ist scheiße und nichts geht mehr. Als hätte die Welt beschlossen, die Fresse zu halten. Als wäre die Welt ein mies gelaunter Taxifahrer.
Alles Material, das ich bearbeiten will, hat keine Lust, sich bearbeiten zu lassen. Es ist spröde und tut nicht nur nicht, was ich von ihm will, sondern sieht mir so aus, als wäre mit dem Frost jede Möglichkeit, die dieses verdammte Material einmal hatte, erfroren. Draußen ist es weiß, fahl und arschkalt. Und drinnen auch. Und meine Hand tut weh.
Paradise Lost
Im Garten Eden steht der Baum der Erkenntnis, aber ohne Schlange
An Evas Hand verlasse ich das Paradies, von keinem Gott gestraft, von meinem Gott nicht verworfen
Ich erkenne meine Nacktheit auch ohne Früchte, aber Eva findet die Welt anziehend, also ziehe ich mich an
Kein Gott fordert ein Opfer von mir
In der Ferne sehe ich Isaak weinend mit dem Dolch in der Hand
So wie ich meinen Sohn Kain mit einer Dunkelheit in den Augen gesehen hatte, die ich nicht verstand
Ich bin der verlorene Sohn, der niemals ausgezogen ist; das Erbe trotzdem verprasst
Jakobs Jüngster, doch nicht meistgeliebt, sehe ich ihn ringen, weiß aber nicht, mit wem
Ich bin Joseph ohne Träume nicht des Brunnens wert
Ich bin Moses ohne Volk durchs Meer watend ohne Ahnung für wen
Pharao weiß nichts von mir und bleibt zu Hause
In Kanaan verliebe ich mich in die Götzenabeter
Sie sind freundlich und lassen mich bei sich wohnen
Mein Bruder Aaron ist in Ägypten geblieben, das Priesteramt ist vakant
Warum habe ich mein Ägypten verlassen? Ich dachte, ich müsste, doch fehlt die Sonne das Auge des Horus
Ich bin David, die zweihundert beschnittenen Vorhäute bring ich aber wundere mich wofür sie gut sein sollen
Ein fleischfarbener Baldachin für den König Saul, meinetwegen
Goliath lacht, als ich ihm mein Steinchen an die Stirn werfe und schreibt dann weiter brutale Gedichte
Ich bin Salomo und urteile gerecht und weise:
Ich esse heute Abend Bohnen, die Linsen jedoch erst morgen
Ich baue einen Tempel und niemand zieht ein (Himmel, ich weiß nicht, wie man Tempel baut)
Ich bin Simson und es ist egal ob ich mir die Haare schneide
Die Philister sind mit anderen Dingen beschäftigt
Ich bin Hiob auf ALG I und darf alles behalten
Ich bin Ezechiel, aber ich habe keine Gründe zu zürnen
So lache ich eben
Ich bin Amos und fresse mich mit dem Volk zusammen satt. Ich will auch Mercedes fahren.
Ich bin Jona und die U-Bahn ist mein Wal nach Ninive und ich feiere mit und steige morgens mit glühendem Kopf wieder in meinen Wal
Ich bin Sacharja und glaube selbst nicht an meine Visionen
Ich habe sie nur geschrieben, weil ich Blake gelesen habe
Ich bin Lazarus aber bin nie gestorben, ich hatte nur Schnupfen
Ich bin nicht Judas: Der hat 30 Silberstücke bekommen
Und wen sollte ich verraten?
Ich bin Thaddäus und du weißt nicht einmal, dass ich Apostel bin, sondern denkst, ich verkaufe Burger
Und das tue ich auch.
Ich bin der Sohn von Pilatus und spiele mit meiner Barabbaspuppe
Ich bin Saul der schon immer in der Wüste war und blind geworden ist ohne Jesus zu sehen
Ich verbrenne die Tempel der anderen ohne eigene zu haben
Alle Briefe mit meinen guten Ratschlägen schmeiße ich ins Meer
Ich bin Johannes der nicht ins Exil musste
Ich habe aufgehört zu kiffen und rauche nur noch und meine Apokalypse hat begonnen, als ich lieber Eva erkannte, als vom Baum meiner Erkenntnis zu essen.